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Der Pilsener Urknall

Expeditionen ins Bierreich

Michael Rudolf unternimmt Ausflüge in die Geschichte des Bierbrauens und erkundet die elysischen Orte des Genusses, wo die schönen Biermythen noch heimisch sind: in den belgischen Klosterbrauereien, in der Fränkischen Schweiz, in sächsischen und thüringischen Familienbrauereien. Der Pilsener Urknall ist so amüsant wie lehrreich.


Leseprobe:

Heute back’ ich,
morgen brau’ ich,
übermorgen mach’ ich
der Königin ein Kind.
Braugeschichte in einer Beispielstadt


Von den Anfängen des Bierbrauens im heutigen Sudan, um 8 000 v. u. Z., bis weit in das Mittelalter war Brauen wie Backen obligatorische Frauenarbeit. Im Unterschied zum heutigen »Gebrauch« des Bieres sah man aber den elementaren Vorzug in der Nahrhaftigkeit des Getränks und in der Desinfektion des Wassers. Außerdem gab es keine günstigere und einträglichere Konservierungsmöglichkeit für Getreide. Der Ethanolgehalt im Promillebereich war nicht zuletzt Folge der allgemeinen Unkenntnis von den bei der Bierherstellung ablaufenden biochemischen Prozessen. Gemälzte Gerste und Weizen, sogar Roggen und Hafer vergoren spontan, die Absichten der Hefe waren noch nicht bekannt, gewürzt wurde mit verschiedensten Kräutern. Erst in unseren mittelalterlichen Städten entwickelten sich aus der familiären Bierproduktion zur ausschließlichen Eigenversorgung die urbanen Braukommunen oder -zünfte.
Bierbrauen wurde plötzlich Männersache, und damit ging der Ärger los. Männlicher Omnipotenzwahn, wohin man blickte: Heute back’ ich, morgen brau’ ich, übermorgen mach’ ich der Königin ein Kind! Jeder machte, was er wollte. Frühzeitig mußten sich daher die Brauergilden der Städte als Schutz gegen Verfälschungen und im Interesse der Qualitätssicherungeigene Brauordnungen geben, die ihre juristische Vollendung 1516 im sogenannten Reinheitsgebot erfahren sollten. Quellen verweisen auf eine erste Brauordnung unserer Beispielstadt im leider verschollenen Stadtbuch des Jahres 1381. Als älteste Brauordnung ist die von 1475 überliefert. Darin heißt es unter anderem, daß der Braumeister: »Zu brauen bedacht forthin 10 Scheffel gute tüchtige gerstenn schütten Vnd mältzen lassen solle, Vnd man das maltz fertig, Vnd es Zum einholen schroten wollte … Zu dem müller Vorfuhren, doselbst durch den darzu Verordent gemeß meßen … als denn solch maltz in das Brauhauß geantwortet. Da solch darzu Vorricht Braumeister eine pfanne weniger denn Zu einen grossen nehmen solt. Sonsten 12 1/2 Scheffel hiesig maß Malz und 12 Maaß Hopffen zum brauen Schütten. Der Braumeister einem indem er nicht mehr denn 16 Viertel bier gießen und hernach er solch gebraut bier Vmb fälligst die kanndel 4 pfenning Vorkauffen.« Die früheste Tranksteuerordnung ist 1451 vom Burggrafen erlassen worden und sie besagt, es »sol auch der Rath ein jeder Stadt, Marckte oder Flecken ein Anzahl Schenckmassen von Zien, Bley oder Kupffer in Vorrath machen lassen«, was erahnen läßt, welcher Spielraum für Betrügereien durch die Uneinheitlichkeit der Hohlmaße gegeben war.
Als nun die Frauen in Beispielstadt nicht mehr brauten, war wenigstens klar, wann gebraut werden durfte, nämlich vom 29. September bis zum 23. April, wer Bier brauen durfte, nämlich grund- und hausbesitzende Bürger der Beispielstadt – etwa fünfzig Bürger also, und wer es trinken mußte, nämlich außer den Städtern alle Dörfler der Landesherrschaft, die mit Hilfe einer Bannmeile zwangseingemeindet waren. Innerhalb von zwanzig Faßwürfen um die Stadtwälle war das Anlegen von Landbierfeuchtbiotopen ganz schön streng verboten. Das nämlich stuften die Städter umgehend als Beschaffungskriminalität ein. Ausnahmen mit viel Weh und Ach blieben die herrschaftlichen Burgen und die Klöster samt unverschämten Steuervergünstigungen. Dies legte das vom gleichen Burggrafen gegebene »Brau-, Bier- und Roßmarktprivilegium« von 1451 fest. Noch in der Stadtverfassung von 1572 heißt es: »Es soll keinen verstattet sein bei Verlust des eingelegten Bieres welches der Rat durch die Brauerschaft herauszulangen und aussaufen zu lassen das Recht haben soll, es hätte denn einer aus erheblichen Ursachen von einen allhier in der Stadt regierenden Herren darüber gnädige Erlaubnis.« 1259 waren dem Beispieldorf Stadtrechte zugeteilt worden, und es nannte sich fortan Beispielstadt. Schon zu dieser Zeit muß mindestens ein Brauhaus vorhanden gewesen sein. Später waren es immerhin zwei: ein städtisches an der Rückseite des Rathauses und ein herrschaftliches an der Stadtmauer. Die erste sichere Nachricht über ein Brauhaus datiert vom Jahr 1400, hier wird von einem Neubau gesprochen. Anzunehmen ist, daß sein frühester Vorläufer bereits vor 1300 bestanden haben muß. 1562 erfahren wir Näheres über das Inventar: »1 kupfferne braupfanne, 1 stell=bottig nebst stellkrug, 1 grosen Maischbottig, 1 hopfen=seihe, 1 Eiserne Pfannen Krücke, 1 Hopfen Rechen, 1 Schürhaken, 1 grosen Gehr=bottig, 1 grosen Küferstock, 5 kleine bottige, 2 halbe bottige, 2 Küferstiefel, 2 Trüchter, 2 Wannen, 2 Schöpfen, 2 Waßerkannen.« Die verschieden großen Lagerfässer befanden sich in Benutzung bei den jeweiligen Brauberechtigten.



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