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Querschädel, Regenlöcher, Schlodderkappes

Wie das Münsterland wirklich ist

Nebst Kommentaren, Einwürfen und Widerreden der Annette von Droste-Hülshoff.

Kaum in unseren Landstrich hineingeboren, werden uns unsere Eigenheiten um die Ohren geschlagen: Stur seien wir, heißt es. Dauernd regne es, heißt es. Und noch immer künde der Kiepenkerl vom Wesen echten Münsterländertums.
Stimmt das wirklich? Ulrich Elsbroek geht diesen und vielen weiteren münsterländischen Stereotypen auf den Grund. Mit dabei: unsere Nationaldichterin und Querschädel Annette von Droste-Hülshoff. Sie wird die Ergebnisse auf ihre ganz spezifische Weise begleiten.

Herausgekommen sind insgesamt 14 Streifzüge mit mal überraschenden, mal amüsanten, aber immer interessanten Fakten über die Heimat der Hengste, die 100-Schlösser-Route, die münsterländische Parklandschaft, über Geistliche, Kiepenkerle und Dichter, und zu guter Letzt über all die kulinarischen Leckereien dieser Tiefebene, bei deren bloßer Benennung und Erwähnung Nichteinheimischen ganz schummrig werden kann. Oder läuft Ihnen bei Fettsoppen, Möppkenbrot, Wurstebrei, Schlodderkappes oder Moppelkotze das Wasser im Mund zusammen?


Leseprobe:

Der Seufzer des Chigi
Münsterländisches Wetter

Oje, das Wetter, das mehr feuchte als fröhliche münsterländische Wetter! Nach allem, was man über diesen Landstrich
vernehmen kann, regnet es hier nicht nur Katzen und Hunde, sondern sämtliche Tiere, die unser landwirtschaftlich geprägter Sprengel zu bieten hat. Fabio Chigi, der auf päpstlicher Seite mithalf, den Westfälischen Frieden in trockene Tücher zu bringen, schlug während seines mehrjährigen Aufenthalts in Münster die Hände über dem tropfnassen Kopf zusammen, sandte ein Stoßgebet zum wolkenverhangenen Himmel und sprach vom Münsterland als der Heimat des Regens! Dabei müssen Sie wissen, dass Fabio Chigi in späteren Jahren selbst zum Papst aufstieg; insofern hatte sein Wort schon damals im Himmel einiges Gewicht. Mit dem Seufzer des Chigi war damit gleichzeitig das Urteil über unser Ländchen gesprochen. Seitdem regnet es – gottgewollt.
In welches Jahrhundert wir auch unseren Blick richten – immer bezeugen die mal schräg, mal lotrecht ins Land einfallenden Tropfen den göttlichen Willen. Und wir sehen hinter einem dichten Regenschleier Annette von Droste-Hülshoff den Dämmer der Welt erblicken; sehen sie bei unentwegtem Plätschern ihr erstes Gedicht schreiben – »Komm Liebes Hähnchen komm heran« –, entdecken sie mit 16 Jahren an feuchtem Strand, sich ziehenden Schiffen hinterher sehnend; begleiten sie mit Anteilnahme – »Brenne mich in Leidensflammen rein« – durch die Irrungen und Wirrungen ihres Lebens und hören sie im November 1840 stöhnen: »Regen – Regen – nichts wie Regen.« Und im Juli 1841 heißt es: »Wenn ich nach dem hiesigen Wetter rechne, so sinkt mir der Muth, denn hier regnets fast fortwährend.«
Es muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass der Regen angesichts der damaligen Verkehrsverhältnisse ein wirkliches Kontakthindernis war. Regnete es, wurden die Wege tief und morastig – oder, wie die Droste mitunter sagte, »kothig«. Da war – mal eben ins Auto und ab dafür – an Spontanbesuche nicht zu denken.
Wie schwierig die Pflege persönlicher Beziehungen angesichts eines nicht enden wollenden Regens zu organisieren war, zeigen mehrere Briefe der Dichterin aus dem Jahre 1839. Im April schreibt sie von Burg Hülshoff an Therese Schlüter, die Schwester ihres damaligen Mentors: »Ich bin seit Ostern hier und wollte heute zurückgehen nach Rüschhaus, aber nun regnet es, und ich muß gutes Wetter abwarten, da der Weg von hier nach Rüschhaus gar nicht zu fahren ist.« In diesem Brief erwähnt sie ihre Schriftsteller-Kollegin Luise von Bornstedt, die sie zu Pfingsten auf Rüschhaus erwartet. Mitte Juni – der Tag des Besuches rückt heran – formuliert die Droste brieflich an die Bornstedt folgende Bitte: »Gott gebe Morgen gutes Wetter, dass Sie der Bothenfrau gleich den Bescheid mitgeben können, wann wir Sie erwarten dürfen, – sollten aber die dicken Wolken, die grade eben den Kopf über die Wallhecke strecken, verdrießliche Pläne haben, so sagen Sie, bitte, doch der Frau wann sie wieder vorkommen soll.« Einen Tag später ein weiterer Brief der Droste an die Kollegin: »Der Himmel wird ja wohl endlich ein Einsehn haben mit den Wolkenschlingeln, die, grade unter seinen Augen, die honnettesten Leute begießen.«
Angesichts dieser wetterbedingten Zustände mögen Sie die ganze Dramatik ermessen, die uns Münsterländer allesamt belastet. Weil es regnet, kommen wir nicht vor die Tür, weil wir nicht vor die Tür kommen, lernen wir niemanden kennen, weil wir niemanden kennen lernen, haben wir keine Freunde, und weil wir keine Freunde haben, sind wir genau das, was sowieso alle von uns denken: humorlos und total verbiestert – mit einem Wort: Münsterländer!



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978-3-941895-05-8, Broschur, 108 Seiten, auch als E-Book in allen gängigen Formaten erhältlich für 2,99 EUR!