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Beate Baum

Dr. Watson hat mit der Autorin Beate Baum ein Interview zu ihrem Holmes-Krimi geführt, hier ist es:

1) Ich musste in den letzten 100 Jahren ja schon viel zu häufig als angeblicher Finder oder Autor weiterer Holmes-Geschichten herhalten, die Arthur Conan Doyle "nicht veröffentlichen wollte", das immerhin haben Sie mir erspart, meine liebe Frau Baum. Aber wie kamen Sie auf die geradezu absurde Idee, dem Wust an Holmes-Geschichten und -Romanen auch noch einen draufzusetzen? (Wobei ich froh bin, endlich dieser viktorianischen Zeit mit dem dauernden Pferdegetrappel, den Gaslaternen und und und entronnen zu sein.)

- Wahnsinn? Größenwahn? Gleich zweimal Wahn, was Sie, lieber John, bestimmt sogleich bemerkt haben, zumal es sich um „Zustände“ handelt, die Sie gut von jemand anderem kennen. Ebenso wie den Wunsch, der Langeweile zu entkommen. Wobei ich mich natürlich in keinster Weise mit dem großen Meisterdenker auf eine Stufe begeben will, aber die Herausforderung, ihm eine möglichst knifflige Aufgabe zu stellen, ist reizvoll.

2) Ich war ja schon schwer enttäuscht, als Sherlock sich so gar nicht mehr gemeldet hat, und das gleich mehrere Jahre. So richtig schlau werde ich aber auch durch ihr Buch nicht daraus, was er in dieser Zeit in Afghanistan zu erledigen hatte. Können Sie es mir oft etwas Begriffsstutzigen (ja, auch Sie reiten darauf herum!) vielleicht noch mal genau erklären?

- Leider bin auch ich nicht allwissend, wenn es sich um Sherlock Holmes handelt. Gerade dann nicht. Wie ich es verstanden habe, ging es nach dem Ende von Moriarty darum, dessen kriminelles Netzwerk aufzuspüren und zu eliminieren. Von dem dann Sebastian Moran (aka Adrianós Morakis) hier in London der letzte Aktive war.

3) Konnten Sie für Mary und mich denn gar keine einladendere Bleibe finden als dieses Reihenhaus in der Vorstadthölle, das permanent von Flugzeugen überflogen wird? (Aber immerhin darf ich bei Ihnen schon an Marys Seite leben, das ist mir ja nicht in jeder Doyle-Nachahmung vergönnt.)

- Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, John, aber haben Sie sich mal Ihren Kontostand angeschaut? Quasi mittellos aus dem Kriegseinsatz zurückgekehrt, dann erst einmal nur von Ihrer kleinen Militärpension gelebt und nun von den Einkünften eines Arztes im staatlichen Gesundheitssystem. Und Ihre wunderbare Mary hat ja auch nicht gerade viel sparen können von ihrem Gehalt als Krankenschwester. Da müssen Sie bei den Londoner Immobilienpreisen schon froh sein, dass ich für Sie überhaupt noch etwas mit U-Bahn-Anschluss in die City gefunden habe.

4) Dagegen bin ich ja schon etwas irritiert, dass Sie Sherlock eine neue Frau in seine Nähe geschrieben haben. Irene Adler wurde ja von den meisten völlig überschätzt, Sherlock Holmes und Frauen, pah! Der hat doch überhaupt keinerlei romantische Gefühle. Oder ist mir da was entgangen? Wird das noch richtig ernst zwischen der Zeitungstante und Holmes? (Habe ja munkeln hören, Sie würden schon am nächsten Sherlock-Krimi sitzen.)

- So wie ich das einschätze, sucht unser gemeinsamer Freund keine Romantik, sondern eine ebenbürtige Partnerin. Und da ist die BBC-Redakteurin schon recht qualifiziert, auch wenn Sie damit Ihre Probleme haben, mein Lieber. Als Ästheten stört es Sherlock vermutlich auch nicht, dass Deborah Bellamy ausnehmend gut aussieht. Aber wie gesagt, auch für mich stellt er immer mal wieder ein Rätsel dar. Es ist möglich, dass die beiden im nächsten Buch gemeinsam in einer Hotelsuite übernachtet haben, aber nachdem Sie, John, vor Ort nicht in der Lage waren, das zu verifizieren, sind wir alle so schlau als wie zuvor ...

5) Mycroft Holmes haben Sie perfekt getroffen, was ich mit den beiden Brüdern bisher alles ertragen musste, dafür würden 20 weitere Bücher nicht ausreichen. Aber dass der immer noch in seinem Alte-Männer-Club rumhängt, der könnte auch mal eine Auffrischung seiner vier Wände gebrauchen. Oder direkt gefragt: Wieso lassen Sie manche Schauplätze (ja, auch Sherlocks Wohnung und die gute alte Miss Hudson) fast noch wie vor 100 Jahren erscheinen, andere wiederum absolut jetzt-zeitig? Eine für mich etwas eigenwillige Mischung, vielleicht liegt es aber an meiner Sichtweise, und dass ich unbedingt in diesem Reihenhaus landen musste.

- Oh, da habe ich Ihnen mit Ihrer Bleibe ja doch arg zugesetzt! Das tut mir nun wirklich Leid. Dann sollte ich mal sehen, ob ich Sie zu ein bisschen Sparsamkeit anhalten kann, damit Sie sich etwas anderes leisten können. Ansonsten: Ist es nicht eine Wohltat, dass Orte wie der Diogenes-Club sich nicht ändern, sondern immer ein Refugium für Menschen wie Mycroft Holmes bleiben werden? Und auch Sherlock braucht nun einmal seine ganz spezielle Höhle.

6) Fiel es Ihnen eigentlich sehr schwer, nicht auf den ewigen Gegenspieler Professor Moriarty zurückzugreifen? Dem hätte man diese scheußlichen Verbrechen ja auch sofort zugetraut.

- Kein bisschen! Diese psychopathischen Serien-Kriminellen sind doch eine Beleidigung der Intelligenz.

7) Verraten Sie mir doch wenigstens ein bißchen, was da demnächst wieder auf mich zukommt, wenn Ihr nächster Sherlock-Krimi erscheint, dann kann ich mich da schon mal drauf einstellen und eventuell etwas beruhigter schlafen. Immer diese Ungewissheit, was mit ihm passieren wird! Um mich habe ich ja weniger Angst, ich nehme schließlich keine Drogen.

- Ich habe den Eindruck, dass unser Freund das mit den Rauschgiften so halbwegs im Griff hat, aber er bleibt natürlich anfällig für jede Art von Süchten, wenn ihm langweilig ist. So ist es dann wohl auch passiert, dass er den Fall der toten Stadtstreicher erst spät als solchen erkannte – woran er natürlich zu knacken hat (Nein, nein, Shinwell Johnson ist wohlauf. Und wissen Sie was? Der kleine Klugscheißer hat ein Buch über unser letztes Abenteuer geschrieben und sogar einen Verlag dafür gefunden!).
Außerdem wird Sherlock von Mycroft genötigt, Schadensbegrenzung in Sachen Brexit vorzunehmen. Aber ich fürchte, nun habe ich schon zu viel verraten. Sie wissen ja, wie ungehalten Sherlock werden kann, wenn man etwas ausplaudert.

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Im Übrigen genügte Sherlock Holmes ein kurzes Treffen, um Beate Baum einordnen zu können:

Deutsche, jedoch vertrauter mit britischen Gegebenheiten, als man es durch Urlaube wird. Eine Zeitlang hier gelebt.
5 Fuß 6, Kleidergröße 10. Ordentliche Haltung: als Jugendliche Ballett – nein – geritten. Heute eher Fitnesstraining.
Vorliebe für Rot. Politische Aussage? Möglich. Diese Frisur ... Guter Schnitt, aber ziemlich herausgewachsen und nicht gerade sorgfältig geföhnt.
Liest in England den Guardian, in Deutschland die Süddeutsche. Manchmal auch taz. Ja, irgendwo zwischen Labour und den Grünen.
Die Kleidung: nicht modisch, aber individuell. Auf Reisen gekauft. Sandalen aus Belgien, der Rock ist von Stella McCartney, alte Kollektion, aus einem Oxfam hier in London.
Hat einiges ausprobiert; heute solide. Ehering, kein Hinweis auf Drogen-Gebrauch. Verdient seit langem ihre Brötchen mit Schreiben. Bildet sich etwas darauf ein, Aufträge abzulehnen, wenn das Thema sie nicht interessiert. Deswegen häufig Geldprobleme. Uninteressant.

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Ansonsten bleibt zu sagen: Seit Mitte der 90er Jahre lebt Beate Baum zwischen den Welten Deutschland und Großbritannien. Ihren Reiseführer "Liverpool - Auf den Spuren der Beatles" schätzen Fans der Fab Four bereits seit vielen Jahren und drei Auflagen. In dem Musikerroman "Die Ballade von John und Ines" ließ sie diese Ortskenntnisse auch belletristisch lebendig werden. Mit dem Sherlock Holmes-Krimi "Mycrofts Auftrag" wandte sie sich dem pulsierenden London der Gegenwart zu.
Davor hatte sie sich bereits einen Namen gemacht durch ihre Krimi-Reihe um die Lokaljournalistin Kirsten Bertram, die gemeinsam mit ihrem Kollegen Andreas Rönn und dem us-amerikanischen Privatdetektiv Dale Ingram sieben Fälle aufgeklärt hat.





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